Das Thema ist ein schwieriges, denn es steht vermeintlich konträr zu Ihrem ärztlichen Auftrag, den Menschen zu helfen. Wir beschäftigen uns folgend mit dem Thema „Patientenzielgruppe“, ein Reizwort, das dem Marketing entspringt und den Gesetzen der Marktwirtschaft folgt. So zumindest der erste Eindruck, wenn man das Thema unkommentiert im Raum stehen lässt. Medizin und Marketing – unterschiedlicher können die Gegensätze nicht sein. Wir sind allerdings anderer Meinung und wollen versuchen Ihnen aufzuzeigen, dass es sich lohnt sich mit diesem Gedanken zu beschäftigen. Es ist kein ausgrenzender Aspekt, vielmehr beschäftigt er sich mit der Erfüllung Ihrer Zielsetzung.
Versuchen wir zunächst den Begriff des Marketings zu formulieren. Unsere Definition lautet: „Marketing ist die pati- entenorientierte Praxisführung“. Genauer formuliert müsste das Wort patientenori- entiert um zielgruppenorientiert ersetzt beziehungsweise ergänzt werden. Dahinter stehen zwei elementare Ansätze, die wir in unserer täglichen Arbeit immer wieder als verbesserungswürdig ansehen und die bei Nichtbeachtung zu großen Unzufrieden- heiten führen können.
Patientenwünsche erkennen und ernst nehmen
Patientenorientiert bedeutet, dass die Praxis verstanden hat, die Wünsche der Patienten zu erkennen (z. B. mittels Patientenbefra- gungen) und diese auch zu erfüllen. Dies ist ein ehrgeiziger Prozess, der vom gesamten Praxisteam gelebt werden muss. Praxisfüh- rung wiederum bedeutet, dass die Praxis so organisiert ist, dass sie agiert und nicht reagiert, wobei das Letztere gerade bei stark frequentierten Praxen häufig der Fall ist. Müde Ärzte, die zehn Stunden und mehr am Tag arbeiten, unzufriedene Mitarbei- terinnen und sich beschwerende Patienten sind die Folge, wenn der von uns formulierte Marketingbegriff nicht erfüllt wird. Dahinter steht die folgende Erkenntnis: „Sie können es nicht allen Patienten recht machen!“
Und wir provozieren an dieser Stelle noch einmal, weil wir diese Aussage immer wieder hören: „Ich bin für alle Patienten da und ich mache keine Unterschiede!“ Das ist völlig in Ordnung, steht für den eigenen Anspruch, bedeutet aber, dass Sie Patienten verlieren, die nicht bereit sind diesen Weg mit Ihnen zu gehen. In letzter Konsequenz erleben wir immer wieder, dass hierfür ein zu hoher Preis gezahlt wird.
Wartezeiten, ein ständiger Begleiter
Nehmen wir das Beispiel Wartezeiten. Sie führen eine Patientenbefragung durch und viele Patienten beschweren sich über die lange Wartezeit. Nehmen Sie diesen Hinweis ernst, müssten Sie etwas verändern, um die Wartezeiten zu reduzieren. Vielleicht weni- ger Patienten einbestellen? Sie müssten dann den Terminwunsch eines Patienten ableh- nen, weil das Terminbuch voll ist, hätten weniger Patienten und damit auch weniger Umsatz. Sie hätten dann den Wunsch der Patienten nach reduzierter Wartezeit erfüllt, aber einen Teil der Praxisführung aus der Hand gegeben, da sich ihr wirtschaftliches Ergebnis reduziert. Unter betriebswirt- schaftlichen Gesichtspunkten kein guter Deal. Sie können diese Information aber auch ignorieren, weil Sie keine Patienten ablehnen möchten. Folglich werden dieje- nigen Patienten Ihre Praxis verlassen, die die langen Wartezeiten nicht akzeptieren. Genau hier wird diese Thematik interessant.
Es geht nicht um schwarz-weiß, es geht darum Ihren Wünschen und Zielen, Ihren Befindlichkeiten, gerecht zu werden. Diese können sich aus verschiedenen Kompo- nenten zusammensetzen. Aus unserer Er- fahrung geht es um drei Kernthemen: Die medizinische Hilfe, einen guten Konsens zwischen Beruf und Privatleben sowie eine wirtschaftlich gesunde Praxis, die den ge- wünschten Lebensstandard finanziert.
Spielregeln und Respekt festlegen
Daraus ergeben sich Notwendigkeiten, in erster Linie klare „Spielregeln“ im Mitei- nander. Wir bezeichnen sie als das Praxis- konzept, das die Abläufe in der Praxis
formuliert. Hierbei sind gegenseitige Abhängigkeiten zu beachten. Diese sind:
1. Ihre Ziele
Wie Sie dazu kommen, haben wir in Aus- gabe 1/2018* dargestellt. Sie sind die Messlatte für alle sich daran orientierenden Maßnahmen.
Mehr zum Thema Ziele erfahren Sie hier im Bereich Workshop
2. Die Patienten
Um Ziele erreichen zu können, benötigen Sie die Patienten, die mit Ihnen eine ge- meinsame Sprache sprechen. Es gibt sicher- lich Patienten mit denen Sie lieber arbeiten würden. Es geht also darum zu formulie- ren, welche Kriterien „Ihr Wunschpatient“ erfüllen sollte. Beispiele können sein, dass er regelmäßig zur Vorsorge kommt, offen ist für Ihre Therapievorschläge oder seine Termine einhält. Formulieren Sie die für Sie wichtigen Patienteneigenschaften.
3. Die Wünsche der Patienten
Nun geht es darum die Erwartungshaltun- gen dieser Patientenzielgruppe zu erfüllen. Ein Patient, der offen ist für Ihre Thera- pievorschläge, möchte von Ihnen die Zeit bekommen, um diesen Vorschlag verstehen zu können. Ein Patient, der sich nach Ihren Terminvorgaben richtet, möchte nicht lange im Wartezimmer sitzen. Es gibt sehr viele Kriterien, die für die Patienten wichtig sind, um sich in der Praxis wohl zu fühlen. Die Aufgabe der Praxis ist es diese Kriterien zu erkennen und sich danach auszurichten. Gelingt das nicht, werden Patienten, nämlich genau die, die Sie haben möchten, die Praxis verlassen. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Patienten anfangen über die Praxis zu sprechen und anderen mitteilen, aus welchen Gründen sie die Praxis verlassen haben.
4. Die Maßnahmen
Auch das Thema Maßnahmenplanung ha- ben wir in Ausgabe 6/2017* vorgestellt. Die Aufgabe ist es, Ihre Ziele mit der Erfüllung der Patientenwünsche so in Übereinstimmung zu bringen, dass daraus eine umfas- sende Organisationsstruktur wird, die die- sem Anspruch gerecht wird. Es handelt sich hierbei dann um Ihr Praxiskonzept, um Ihre klar formulierten Regeln, die von den Pati- enten respektiert werden sollen.
Kein Spielball der Patienten
Wie wir festgestellt haben, können Sie es nie allen Patienten recht machen. Daher soll- te es das Ziel sein, es denjenigen Patienten recht zu machen, die sich an den von Ihnen festgelegten Regeln orientieren, die gerade deswegen zu Ihnen kommen. Sie verhindern es damit zum Spielball Ihrer Patienten zu werden. Als Folge werden Sie, Ihre Mitarbeiterinnen und Ihre Patienten eine völlig andere Qualität in den Abläufen erleben.
Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Es geht nicht darum Patienten den Eintritt in Ihre Praxis zu verwehren. Es geht darum über Ihr Termin-Management einen Steu- erungsprozess einzuleiten, der durch eine Patienteneinteilung bestimmt wird. Hierbei erhalten Ihre Wunschpatienten attraktivere Behandlungszeiten als Patienten, die sich eher durch eine geringe Motivation auszeichnen.
Die A-B-C-Einteilung
Wir arbeiten mit einer Einteilung nach A, B und C. Der A-Patient ist der Wunschpatient, der B-Patient verfügt über eine gute Grund- motivation während der C-Patient unzuver- lässig ist. Die genauen Kriterien werden aber immer gemeinsam festgelegt. Nach diesem System geschieht die Einteilung der Patienten nach A-B-C in Blöcken. Der A-Patient erhält die attraktiven Morgen- und Abendsprech- stunden, die mit einem Vorlauf von circa drei Tagen reserviert sind, für B- und C-Pa- tienten nicht zur Verfügung stehen, und erst danach auch an B- und C-Patienten vergebenwerden, um keine Lücken entstehen zu las- sen. Grundsätzlich kann sich der A-Patient aber seinen Termin aussuchen. Die B- und C-Patienten werden in die übrigen Behand- lungszeiten einbestellt. Grundsätzlich lassen sich je nach Praxis weitere Behandlungsblö- cke einbauen, wie beispielsweise feste Zeiten für Neupatienten (siehe Beispiel).
Die Vorteile für den Arzt und den Praxisablauf liegen darin, dass die Konzen- tration auf die anspruchsvolleren Patienten größer ist und sich die Praxis besser vorbe- reiten kann. Auch ist festzustellen, dass Pa- tientengruppen nicht unbedingt zueinander passen und eine Trennung durch das Ter- minmanagement für alle Beteiligten einen größeren Wohlfühlcharakter bietet. Somit steigt auch die Motivation der A-Patienten die Praxis weiter zu empfehlen.
In welcher Ausprägung dieses System umgesetzt wird, ist von Praxis zu Praxis unterschiedlich. Grundsätzlich ermöglicht es Ihnen aber auch weiterhin für alle Pati- enten da zu sein, sorgt aber für wesentlich geordnetere Verhältnisse im Praxisablauf und eine Bindung Ihrer Wunschpatienten. XXIn einer der kommenden Ausgaben werden wir detaillierter auf die Systematik eingehen.
Fazit
Die Entwicklungen im „Gesundheitsmarkt“ haben dazu geführt, dass der unternehme- rische Aspekt immer stärker in den Vorder- grund gerückt ist. Ob man das mag oder nicht – die Folge dieser Entwicklung ist eine sehr viel stärke Ausrichtung der Praxis auf Effektivität und Betriebswirtschaft. Dies in Ergänzung zu der Ambition einer guten Work-Life-Balance bedingt einer aktiven Auseinandersetzung mit den persönlichen Zielen und einer Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Wir geben zu, dass das Thema Patientenzielgruppe durchaus Reizpunkte setzt, die auch polarisieren können. Das entscheidet jeder für sich selbst. Eine stim- mige Umsetzung des Zielgruppengedankens führt jedoch zu einer wesentlich entspann- teren Situation in der Praxis, von der alle profitieren können. Der Ursprungsgedanke, nämlich für die Patienten da zu sein, wird hierbei nicht verlassen – aber anders gelebt!