Nur wenige Zahnärzte sind Unternehmer-Typen.
Ein empirische Analyse von Zahnarztpraxen von Prof. Dr. Bettina Fischer und Lisa Heinemann der Fachhochschule Wiesbaden zeigt auf, dass die Persönlichkeit eines Zahnarztes sich unmittelbar auf seinen Praxiserfolg auswirkt. Jedoch besitzen die wenigsten Zahnärzte die als überdurchschnittlich erfolgreich identifizierte „Gewinnerpersönlichkeit“. Doch genau diese ist in Zukunft gefragt, da Zahnärzte zunehmend zu erfolgsorientierten Managern ihres „Unternehmens“ Zahnarztpraxis avancieren müssen.
Seit Beginn der 80er-Jahre ist ein deutlicher Umbruch im deutschen Gesundheitswesen festzustellen. Die Diagnose- und Behandlungskosten sind überproportional gestiegen, die Zahl der chronisch Kranken und der Pflegefälle gewachsen und der Anteil der Grundlohnsumme am Bruttosozialprodukt um neun Prozent gesunken (die Grundlohnsumme ist die Bemessungsgrundlage für die Abgaben an die gesetzlichen Krankenversicherungen).
Die Konsequenzen aus dieser Entwicklung sind auch für die Zahnärzte deutlich spürbar, und diese haben in den letzten Jah- ren signifikante Einkommensverluste hinnehmen müssen. So hat sich der reale Einkommensüberschuss dieser Berufsgruppe seit 1980 – zumindest in den alten Bundesländern – nahezu halbiert.
Des Weiteren ist in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der Zahnärztedichte zu beobachten. Kamen im Jahr 1992 noch 1439 Einwohner auf einen Zahnarzt, so sind es 2006 lediglich noch 1257. Aktuelle Hochrechnungen gehen von einer weiteren Verschärfung dieser Situation aus. Bis zum Jahr 2015 soll der Wert auf 1173 Einwohner pro Zahnarztpraxis sinken. Hinzu kommt, dass in diesen Werten die rein privattätigen Praxen nicht berücksichtigt sind. Aktuelle Studien belegen überdies eine weitere Zunahme der Zahnärztezahl bis 2015. Immer mehr Ärzte müssen sich somit die immer knapper werdenden Mittel teilen.
Insbesondere die stetige Zunahme der Zahnärztedichte führt zu einem steigenden und immer härter werdenden Wettbewerb zwischen den einzelnen Zahnarztpraxen. Verstärkt wird dieser Konkurrenzkampf durch das in Deutschland herrschende ärztliche Werbeverbot, welches den Praxen – trotz einer deutlichen Aufweichung dieses Verbotes in den letzten Jahren – zusätzlich die Gewinnung von Neupatienten und somit eine Etablierung sowie ein Fortbestehen der eigenen Praxis erschwert.
Die geschilderte Situation zwingt heutige Zahnarztpraxen dazu, sich mehr und mehr in patientenorientierte Dienstleistungsunternehmen zu verwandeln. An der Spitze dieser Unternehmen steht der Zahnarzt als in allen betrieblichen Funktionsbereichen geforderter Praxismanager. Dieser ist im Zuge steigender Praxiskosten und des bereits erwähnten starken Wettbewerbs gezwungen, seine Tätigkeit auch unternehmerisch auszuüben. Dazu zählen neben einem effektiven Kosten-Controlling auch eine weitsichtige Investitionsplanung und eine reibungslose Organisation der Praxis. Darüber hinaus wird der ehemalige Patient aufgrund des steigenden Selbstzahleranteils zum Kunden. Dies impliziert wiederum die Notwendigkeit für ein effektives Marketing der Zahnarztpraxis.
Um als Unternehmer zu bestehen und das Dienstleistungsunternehmen Zahnarztpraxis zum Erfolg zu führen, sind jedoch nicht nur die fachlichen Fähigkeiten und das unternehmerische Talent des Zahnarztes gefordert. Es zeichnet sich immer mehr ab, dass neben einer entsprechenden Qualifikation und einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis gerade die Persönlichkeit des Unternehmers einen Einfluss auf seinen Erfolg ausübt. Die betriebswirtschaftliche Forschung konnte bereits in vielen anderen Zusammenhängen den Nachweis erbringen, dass „Persönlichkeit einer Führungskraft“ und „Erfolg“ keine unabhängigen Größen sind. Aber inwiefern gilt dies für die Zahnarztpraxis?
Ziel der durchgeführten Untersuchung war es deshalb herauszufinden, welchen Einfluss die Persönlichkeit eines Zahnarztes auf seinen Praxiserfolg hat und welche Persönlichkeitstypen sich im Rahmen dieser Betrachtung als besonders erfolgversprechend zeigen.
Die empirische Untersuchung
Um eine Antwort auf die Forschungsfragen zu finden, wurde eine schriftliche Befragung in den Zahnarztpraxen von Hessen und Rheinland-Pfalz durchgeführt. Der Versand von 460 Fragebögen erbrachte einen Rücklauf von 49 Fragebögen; dies entspricht einer durchaus üblichen Rücklaufquote von 10,7 Prozent.
Die Messung der „Persönlichkeit“
Zur Klassifikation unterschiedlicher Persönlichkeitstypen diente die vom Neuromarketingexperten Hans-Georg Häusel ent- wickelte Einteilung der limbischen Haupttypen. Der Rückgriff auf dieses Instrumentarium erlaubt außerdem eine Einordnung der untersuchten Probanden in die unterschiedlichen Persönlichkeitskategorien mithilfe des „Limbic® Check“. Dieser Teil des Fragebogens bestand aus geschlossenen Fragen mit einer Ja-/Nein-Antwort-Alternative.
Grundgedanke der Limbic®-Klassifikation ist, dass die drei im limbischen System des menschlichen Gehirns verankerten Instruktionen Balance, Stimulanz und Dominanz für das menschliche Verhalten, die Persönlichkeit und den Charakter relevant sind. Das Balance-System zeigt sich als mächtigste Kraft in unserem Gehirn beispielsweise im Streben nach Sicherheit, Konstanz und Stabilität. Das Stimulanz-System ist für die Kraft der Kreativität und der Innovation sowie die Neugier verantwortlich und sucht nach Abwechslung und Risiko. Das Dominanz-System steht für Durchsetzung, Machtstreben und Verdrängung.
Je nach individueller Ausprägung der grundlegenden Instruktionen Balance, Stimulanz und Dominanz sind folgende Persönlichkeitstypen denkbar:
Der Entrepreneur bzw. der Unternehmer zeichnet sich durch eine starke Ausprägung sowohl der Dominanz- als auch der Stimulanz-Instruktion aus. Die Balance-Instruktion ist relativ niedrig ausgeprägt. Charakteristisch für diesen Typ sind die ständige Suche nach neuen Herausforderungen und ein starker Durchsetzungswillen. Der Entrepreneur denkt sehr innovativ und versucht regelmäßig neue Ideen zu entwickeln und auch umzusetzen.
Der Technokrat ist durch eine geringe Ausprägung der Stimulanz-Instruktion gekennzeichnet. Ebenso niedrig ist die Ausprägung seiner Balance-Instruktion. Im Gegensatz dazu steht eine sehr starke Dominanz-Ausprägung. Dieser Typ ist durch sein rigoroses und konsequentes Verhalten sowie die Abneigung gegenüber Offenheit und Innovativem charakterisiert. Passende Schlagworte zu diesem Persönlichkeitstyp sind Durchsetzungsfähigkeit, Unbeirrbarkeit und Skrupellosigkeit.
Der Stresstyp zeichnet sich im Gegensatz zum Entrepreneur und Technokraten durch eine sehr hohe Ausprägung der Balance-Instruktion aus. Überdies ist eine hohe Dominanz- und eine niedrige Stimulanz-Ausprägung charakteristisch für diesen Typus. Kennzeichnend ist außerdem eine hohe Ängstlichkeit, die Tendenz zum Überreagieren und die Angewohnheit, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Er ist unfähig zur Delegation, und sein Führungsstil kann als pedantisch beschrieben werden.
Der Exzentriker. Eine Betrachtung dieses Typus zeigt, dass hier alle drei Instruktionen stark ausgeprägt sind. Charakteristisch für diesen Typen ist die Suche nach neuen Herausforderungen und neuen Wegen. Ebenso charakteristisch ist jedoch die Unfähigkeit zu führen, da er seine Mitarbeiter oft demotiviert. Schuld daran ist die Tatsache, dass er häufig launisch und wechselhaft ist.
Der Lebenskünstler hat eine niedrige Balance- und Dominanz-Ausprägung und eine hohe Stimulanz-Ausprägung. Dadurch besitzt er ein gewisses Maß an innerer Stabilität, ist offen für Neues und überdies sehr kontaktstark. Er macht sich wenig Sorgen und ist schnell von Routinearbeiten gelangweilt. Sein Streben nach Macht ist relativ wenig ausgereift.
Der Beliebte ist dem Lebenskünstler sehr ähnlich, allerdings ist bei ihm die Balance-Instruktion deutlich stärker ausgeprägt. Dies macht ihn aber auch wesentlich ängstlicher und sensibler als den Lebenskünstler. Zwar geht er Konflikten gerne aus dem Weg und scheut, so weit wie möglich, das Risiko, jedoch ist er aufgrund seiner fröhlichen und offenen Art bei seinen Mitmenschen sehr beliebt.
Der Ängstliche ist durch eine sehr hohe Ausprägung der Balance-Instruktion gekennzeichnet. Aus diesem Grund ist er nicht nur ängstlich, sondern auch zurückhaltend, und der Drang nach Macht und die Offenheit gegenüber neuen Dingen sind sehr begrenzt. Daraus resultieren eine gewisse Verletzlichkeit sowie eine Tendenz zur Ineffizienz und dem Gefühl der Überforderung.
Der Phlegmatiker. Bei diesem sind alle drei Instruktionen relativ schwach ausgeprägt. Dies äußert sich besonders in einem Mangel an Neugier, Machtwillen und Angst. Seine Grundeinstellung ist durch ein gewisses Maß an Gleichgültigkeit geprägt. Dieser Typ ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen und überwiegend zufrieden mit sich und der Welt.
Die Messung des „Praxiserfolgs“
Der Erfolg einer Praxis ist mehrdimensional zu betrachten. Dem- entsprechend besteht das Konstrukt „Praxiserfolg“ aus verschiedenen Dimensionen bzw. Indikatoren, welche den Praxiserfolg beeinflussen. Im Rahmen der empirischen Untersuchung wurde der Praxiserfolg ebenfalls mithilfe geschlossener Fragen erfasst, sowohl mit einer Ja-/Nein-Antwort-Alternative als auch mithilfe einer dreistufigen bipolaren Rating-Skala.
Anschließend wurden den verschiedenen Antwortkategorien Werte zugeteilt und diese schließlich zu einem Gesamtwert addiert. Der Erfolg des Zahnarztes ergibt sich somit aus der Höhe dieses Gesamtwertes. Dabei betrug der in der Studie maximal zu erreichende Erfolgswert 150.
Folgende Größen gingen in die einzelnen Konstruktdimensionen ein:
Finanzwirtschaftliche Erfolgsfaktoren: Umsatz, Kosten, Gewinn, Liquidität
Patientenbezogene Erfolgsindikatoren: Anzahl der Stammpatienten, Anzahl der Neupatienten, Zufriedenheit der Patienten.
Praxisbezogene Erfolgsindikatoren: Motiviertes und leistungsorientiertes Team, Image und Reputation, Effizienz der Praxis.
Persönliche Erfolgsindikatoren: Freude am Beruf, Selbstverwirklichung, ausreichende Freizeit, Zielsetzung bzw. Zielerreichung.
Die Auswertung
Die Auswertung der durchgeführten Studie erfolgte mithilfe des multivariaten Verfahrens der Varianzanalyse. Es handelt sich hierbei um ein strukturenprüfendes Analyseverfahren, das die Wirkung einer (oder mehrerer) unabhängiger Größen bzw. Vari- ablen auf eine (oder mehrere) abhängige Größen bzw. Variablen misst. Die Auswertung bzw. die Varianzanalyse wurde in der Studie mithilfe des Statistikprogramms SPSS durchgeführt.
Das Ergebnis
Die Auswertung der durchgeführten Studie erfolgte mithilfe des multivariaten Verfahrens der Varianzanalyse.Die Auswertung des Datensatzes ergab eine Bestätigung der Forschungshypothese, wonach die Persönlichkeit des Zahn- arztes einen Einfluss auf seinen Praxiserfolg ausübt (Signifi- kanzniveau 99,5 Prozent). Die Stärke des Einflusses kann als mittelstark bezeichnet werden (Eta-Wert der Varianzanalyse 0,560), was vor dem Hintergrund weiterer zu erwartender Ein- flussfaktoren auf den Praxiserfolg (z. B. Behandlungsqualität, Service, etc.) nicht überrascht.
Ein Mittelwertvergleich der Erfolgswerte der einzelnen Persönlichkeitstypen sowie die Zuordnung der Probanden zu den Persönlichkeitstypen zeigen, dass der erfolgreichste Persönlichkeitstyp der Typ des Unternehmers ist. Am wenigsten erfolg- reich ist der Typus des Ängstlichen.
Wie die Untersuchung weiterhin aufdeckte, entspricht die Mehrheit der befragten Zahnärzte, nämlich 61,2 Prozent, dem Typ des Phlegmatikers. Dieser Persönlichkeitstyp kann lediglich als durchschnittlich erfolgreich bezeichnet werden. Zusammengefasst führte die empirische Untersuchung zu folgenden Ergebnissen:
Handlungsempfehlungen und Fazit
Aufgrund des dargestellten Persönlichkeitsprofils, das sich im Wesentlichen durch eine eher gleichgültige Einstellung zeigt, wird es der Zahnarzttyp „Phlegmatiker“ wohl in Zukunft schwer haben, sich in der verschärften Wettbewerbssituation gegenüber seinen Kollegen zu behaupten. Er verfügt im Gegen- satz zum erfolgreichen Persönlichkeitstyp des Unternehmers nicht über die für diesen Konkurrenzkampf benötigten Eigen- schaften, wie Durchsetzungswillen, innovatives Denken und Antrieb zum Umgang mit neuen Herausforderungen.
Zwar ist ein Großteil der Persönlichkeit angeboren und somit nicht vollkommen veränderbar. Dennoch ist ein Teil der Persönlichkeit durch die umgebende Umwelt, das Alter und das Geschlecht geprägt und somit in gewissen Grenzen beeinflussbar.
Die dem Typus des Phlegmatikers entsprechenden Zahnärzte stehen daher vor der Herausforderung, aktiv an ihrer Persönlichkeit zu arbeiten. Hierbei können und müssen sie eventuell auf die Hilfe erfahrener Coachs zurückgreifen. Diese können dabei unterstützten, dass dem Arzt seine eigenen Stärken und Schwä-chen bewusst gemacht werden und er auf dieser Basis Hand- lungsalternativen für sich und seine Praxis ableiten kann.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Persönlich- keit eines Menschen kein starres Gebilde darstellt. Sie ist vielmehr durch einen gewissen Grad an Flexibilität geprägt und lässt sich dementsprechend auch aktiv in eine bestimmte Richtung weiterentwickeln. Hamer und Copeland (Das unausweichliche Erbe, Scherz Verlag, München 1998, S.21) beschreiben diesen Sachverhalt folgendermaßen:
„Die Gene sind eher die Musikinstrumente, auf denen wir spielen, als eine Partitur. Die Gene bestimmen nicht genau, welche Musik oder wie gut sie gespielt wird, sondern sie legen die Spannbreite dessen fest, was möglich ist.“