Sechs Tipps zur Personalführung in der Krise
Seit mittlerweile zwei Jahren leben wir in einem Ausnahmezustand, der uns alle vor besondere Herausforderungen stellt. Nicht nur das private Leben ist eingeschränkt, gerade im Gesundheitswesen schlagen die Wellen hoch. Mit der angekündigten Impfpflicht für die medizinischen Berufe ist eine Situation entstanden, die uns alle im Atem hält und die besondere Anforderungen an die Personalführung stellt. Es ist an dieser Stelle gar nicht so einfach, eine Lösung aufzutun, denn die Polarisierung und Diskussion im Umgang mit den politisch aufgezeigten Maßnahmen zieht sich auch durch die Medizin. Die Konsequenzen reichen von Kündigungen, über Freistellungen bis hin zu „weiter so“, in der Hoffnung, dass das Gesundheitsamt kein Berufsverbot aussprechen wird. Fakt ist: Das Nervenkostüm ist bei allen angespannt. Sei es gegenseitiges Unverständnis oder Unsicherheit und Angst um den Arbeitsplatz. Wir befinden uns in einem inneren Aufruhr, der gerade dann der Führung bedarf.
Definition „Krise“
Wikipedia schreibt: „Eine Krise ist im Allgemeinen ein Höhepunkt oder Wendepunkt einer gefährlichen Konfliktentwicklung in einem natürlichen oder sozialen System, dem eine massive und problematische Funktionsstörung über einen gewissen Zeitraum vorausging und der eher kürzer als länger andauert.“
Damit ist klar formuliert, dass sich insbesondere das Gesundheitssystem in einer akuten Krise befindet, die die vorherigen Probleme weiter verstärkt hat. Die Personalsituation ist schon seit vielen Jahren angespannt und hat sich durch die geplanten Maßnahmen verschärft. Ein Ende ist nicht wirklich in Sicht. Es gilt nun, mit dieser Situation umzugehen. Äußere Einflüsse sind in der Regel nicht zu ändern, aber der Umgang damit ist die Aufgabe. Was bedeutet das nun für Ihre Praxis?
1. Pro-aktiv
Die Attraktivität des Arbeitsplatzes ist es, die für die Mitarbeitenden interessant ist (s. Beitrag „9 Tipps zur Personalsuche“ über den QR-Code). Ein wichtiges Kriterium ist hierbei die Führungskultur, die etwas über das Miteinander aussagt. Eine pro- aktive Ausrichtung steht für eine positive, lösungsorientierte und eigenverantwortliche Führungsphilosophie, in die sich das Personal ganz aktiv einbringen kann. Sie wird von Werten bestimmt und sorgt dafür, dass man macht und nicht gemacht wird. Gerade in schwierigen Zeiten ist dies eine Stärke, die ein Team zusammenschweißt, zusammenrücken und gemeinsam ein resilientes Handeln aufbauen lässt.
2. Empathie
Wir alle wissen es und haben es sicherlich immer wieder auch selbst erfahren. Wenn wir jemanden haben, der uns zuhört und dem ich meine Sorgen und Probleme mitteilen kann, geht es uns besser. Ein wunderbares Beispiel für eine empathische Personalführung, die dem Mitarbeitenden aufzeigt, dass Sie um ihn bemüht sind. Schon immer war der Faktor „Zeit“ ein Verhinderer im Umgang miteinander. Man hatte keine Zeit, sich miteinander zu beschäftigen. Nur klappen muss es – so die Erwartungshaltung. Der Mensch funktioniert aber nun einmal nur dann gut, wenn er sich wohlfühlt und wenn er weiß, dass er gehört wird und auch auf Verständnis hoffen darf. Aktives Zuhören ist das Zauberwort. Was sind die Sorgen und Nöte, welche Informationen bekommen Sie von Ihrem Team und was sind die Erwartungen? Sie müssen nicht immer mit dem einverstanden sein, was Ihre Mitarbeitenden mit Ihnen besprechen möchten, aber Sie sollten zuhören, die Anmerkungen ernst nehmen und nach einer gemeinsamen Lösung suchen. Gerade jetzt, wenn die Probleme so offensichtlich unser Leben bestimmen, ist das Ohr der Chefin oder des Chefs besonders wichtig, denn häufig liegt die Lösung bei ihnen.
3. Behandle andere so …
„Behandle andere so, wie auch Du behandelt werden willst!“ Ein häufig zitierter Satz, der gut gemeint ist, der aber ein entscheidendes Kriterium nur bedingt berücksichtigt, nämlich die Erkenntnis, dass jeder Mensch anders ist (s. Infokasten). Für die Führung bedeutet dies, dass die Zusammenstellung des Teams eine ideale Kombination der Persönlichkeitstypen darstellt, um alle Positionen ideal zu besetzen. In der Ansprache wiederum geht es da- rum, den richtigen Ton zu finden, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Während Sie beim Roten auf den Punkt kommen können, um ihn dann laufen zu lassen, benötigt der Grüne eine umfassendere Erklärung, um daraus seine Sicherheit zu gewinnen. Mit dem daraus abgeleiteten Satz: „Behandle andere so, wie sie behandelt werden wollen!“ haben Sie einen Schlüssel, der grundsätzlich Türen öffnet, der aber gerade in schwierigen Situationen umso besser wirkt.
4. Berechenbarkeit und Verlässlichkeit
Krisen sind immer auch eine Chance der Weiterentwicklung. Besprechen Sie mit Ihrem Team, mit jedem Ihrer Mitarbeitenden, wie Sie nun vorgehen werden. Schaffen Sie Klarheit. Klarheit schafft Sicherheit. Häufig ergeben sich aus Engpässen innovative Denkansätze und Handlungen, über die man sich vorher keine Gedanken gemacht hat. Halten Sie dann Vereinbarungen, die Sie gemeinsam getroffen haben, unbedingt ein. Sollten Ereignisse eintreten, die ein Umdenken erforderlich machen, binden Sie Ihr Team mit ein, sodass Verständnis hierfür entsteht. Treffen Sie die Entscheidung für diesen korrigierten Weg alleine, stellen Sie ihre Verlässlichkeit infrage. Es ist in der Wahrnehmung dann auch sekundär, ob Sie keine andere Entscheidung treffen konnten oder nicht. Entscheidend ist, dass Sie einen gemeinsamen Entschluss nicht eingehalten haben. Diesen Vorwurf werden Ihnen Ihre Mitarbeitenden dann offen oder aber auch hinter vorgehaltener Hand machen.
5. Direkte,indirekte und keine Kontrolle
Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit bewährt sich gerade in schwierigen Zeiten besonders, da sich der pro-aktive Mensch auf seinen Einflussbereich konzentriert. Wie kann ich mich einbringen, um gut aus dieser Krise herauszukommen? Hier gilt es zu unterscheiden, ob der Mitarbeitende die direkte, die indirekte oder keine Kontrolle hat. Was kann alleine entschieden wer- den und wo braucht er Unterstützung durch eine Kollegin bzw. einen Kollegen oder aber auch durch Sie? Den Handlungsspielraum gilt es konkret festzulegen und in besonderen Situationen auch anzupassen. In der Regel steigt die Effektivität des Handelns. Die Kraft, uns selbst gegenüber Verpflichtungen einzugehen und sie einzuhalten, ist der entscheidende Faktor für die Entwicklung der grundlegenden Gewohnheiten der Effektivität.
Zu erkennen, dass man be- stimmte Dinge nicht beeinflussen kann, sorgt immer wieder für Enttäuschung und manchmal auch für Resignation, da sich der eigene Aufwand nicht lohnt. Gerade in der aktuellen Situation werden die Vor- gaben durch die Politik bestimmt, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen. Aber auch hier gilt, dass mögliche Handlungsspielräume im Sinne eines zukunftsorientierten Miteinanders auf Machbarkeit geprüft werden sollten. Zeigen Sie in solchen Situationen Ihrem Team, dass Sie eine gemeinsame Sprache sprechen und sich für mögliche Lö- sungen einsetzen.
6.Positive Gedanken
„Wann immer wir glauben, das Problem sei da „draußen“, ist dieser Gedanke das Problem!“ Dieser treffende Satz steht für sich, auch wenn wir alle nun schon lange er- leben, dass das Außen uns stark beschränkt. Wir hatten demnach Zeit genug, uns intensiv damit zu befassen und nach Lösungen zu suchen. Patientinnen und Patienten, die ihre Termine absagen, Mitarbeitende die krankheitsbedingt ausfallen oder anstehende Szenarien, die auf uns warten. Wie gehen wir damit um? Pro-aktive Praxen nehmen diese Herausforderung an und entwickeln gemeinsam mit den Mitarbeitenden Szenarien, die Perspektiven auf- zeigen. Wie motivieren wir unsere Patientenschaft? Wie kompensieren wir Krankheitsausfälle? Wie reagieren wir auf plötzlich auftretende Engpässe und wie gehen wir mit der Gesamtproblematik um, von der wir noch nicht wirklich wissen, wie sie aussehen wird? Fragen, die sie gemeinsam beantworten sollten. Aus dieser Gemeinsamkeit werden Sie eine Stärke entwickeln, die Sie auch nach dieser schweren Zeit be- gleiten wird.
